Geschichte
Die Stephanuskirche im ehemaligen Stadtbezirk Wedding gehört zu den zahlreichen, vom Evangelischen Kirchenbauverein in Berlin und im Umland errichteten Großstadtkirchen, die dem Baustil des Historismus der Neogotik zuzuordnen sind. Die Anlage besteht aus einem Gemeindehaus, dem Kirchengebäude und dem Kirchturm. Der Gebäudekomplex wurde von 1902 – 1904 nach den Plänen des Architekten Adolf Bürckner (1846 – 1932) auf der nordöstlichen Seite der Kreuzung von Prinzenallee und Soldiner Straße auf einem ca. 4000 m2 großen Grundstück errichtet. Auf dem östlichen Teil dieses Grundstückes entstand 1958 eine zweistöckige Kita, die einen Großteil der Fläche als Außenbereich und Spielplatz nutzt.
Im Zweiten Weltkrieg wurde durch Kriegseinwirkung das Dach des Kirchenschiffes abgedeckt und die bleiverglasten Kirchenfenster zerstört. Die Ausmalungen der Kirche wurden in der Nachkriegszeit durch Witterungseinflüsse der damals fensterlosen Kirche beschädigt und bei der Instandsetzung 1958 weiß übertüncht. Bei vier Bilder in den Blendfenstern des Chores erfolgte in den Jahren 1968 und 2004 eine Freilegung und Restaurierung. Das Kirchenschiff erhielt in der Nachkriegszeit neue Fenster.
Aufgrund der geringen Kriegseinwirkungen und wenigen Veränderungen in der Nachkriegszeit kann das Gebäude, als eine der besterhaltenen Kirchen Berlins aus der Zeit um 1900 bezeichnet werden.
Seit dem Zusammenschluss der Gemeinde der Stephanuskirche mit der Gemeinde der St. Pauls Kirche zur Gemeinde an der Panke im Jahre 2007 fanden nur noch wenige Gottesdienste im Gebäude statt. Problematisch erwies es sich, dass die Heizungsanlage des Kirchenschiffes defekt ist, so war eine Nutzung des Gebäudes nur in der wärmeren Jahreszeit möglich. Dem gegenüber ist die Heizungsanlage des Gemeindehauses funktionsfähig. Dieser Gebäudeteil ist zum Teil für eine nichtkirchlichen Nutzung vermietet.
Verschiedene Versuche, das Kirchengebäude langfristig zu verpachten oder zu verkaufen, scheiterten. Die Unentschiedenheit der Gemeinde darüber, wie die Kirche genutzt werden sollte, sowie eine jahrzehntelange fehlende Instandhaltung führten zu erheblichen baulichen Schäden. Zum Schutz der Passanten, auf den das Gebäude umgebenden Gehwegen mussten vor vier Jahren Gerüste und Netze am Gebäude angebracht werden. Im Jahr 2025 soll in einem ersten Bauabschnitt Dach saniert werden, weitere Sanierungsschritte sind vorgesehen. Ein Nutzungskonzept wird erarbeitet.
Baubeschreibung
Auf der nördlichen Seite des Grundstückes befindet sich in der Straßenflucht der Prinzenallee das vierstöckige Gemeindehaus. Die Fassade ist entsprechend der Nutzung der Etagen gestaltet. In dem hohen Erdgeschoss mit einer zweiachsigen Fensterfront ist ein Gemeindesaal untergebracht. In dem darüber liegenden ersten Stock mit vier hohen Fenstern befinden sich zwei Gemeindesäle. Im dritten und vierten Stock befinden sich Wohnungen. Am Gemeindehaus ist ein ca. 50 Meter hoher Turm angesetzt. Er dient u. a. der Erschließung des Gemeindehauses und der Emporen der Kirche.
Für das Kirchenschiff springt die Fassade mit einem von einem Giebel bekrönten Portal von der Prinzenallee zurück und bildet so eine kleine Platzanlage. An den Wandflächen und im Gewölbe des Portals sind etwas verblasst Ausmalungen erhalten, welche Hinweise auf die einstige Art der Ausmalungen der Gewölbe in der Kirche geben können. Der 79 Meter hohe Turm mit einem quadratischen Grundriss ist aus der Achse des Kirchenschiffes genommen und an die Straßenkreuzung von Prinzenallee und Soldiner Straße herangerückt. An den Ecken des Turmes sind kräftige Strebepfeiler angesetzt.
Aus der Perspektive der Soldiner Straße wirkt das Kirchenschiff, das der Ost-West Richtung der Straßenführung folgt, als freistehend errichtet. An der östlichen Seite des Kirchenschiffes ist der Chor angesetzt. Parallel zum Chor ist auf der Seite zur Soldiner Straße die Sakristei angeordnet. Dort ermöglichen zwei Türen und das dahinter liegende Treppenhaus den Zugang zur Kirche und zu den Emporen. Daran schließt das südliche Seitenschiff an, das bis an den Bürgersteig herangerückt ist. Es ist mit Maßwerk und mit Putzflächen strukturiert. Kräftige Strebepfeiler treten aus der Fassade hervor. Auf der Seite der Soldiner Straße ist der Kirchturm mit einem Eingang versehen. Das Treppenhaus des Turmes führt auf die Emporen und in Glockenstube.
Das Kirchenschiff
Über einem kreuzförmigen Grundriss erhebt sich das von Strebepfeilern gehaltene ca. 28 Meter hohe verputzte Spitzbogengewölbe. Die ursprüngliche Ausmalung ist in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg übertüncht worden. Die Bögen sind mit Formsteinen nachgezeichnet, verschiedene Flächen mit Maßwerk versehen. Die im Erdgeschoss im Verhältnis zur Wandfläche wenigen und kleinen Fenster und die darüber angeordneten Emporen lassen den Erdgeschossbereich als dunkel erscheinen. Der Lichteinfall ergibt sich aus den Fenstern über den Emporen der Seitenschiffe und den Fenstern im Bereich des Chores.
Da die Seitenschiffe nur über eine geringe Tiefe verfügen, und die Emporen bis auf den Chor mit einer umlaufenden Brüstung versehen sind, wird das Kirchenschiff als Zentralraum wahrgenommen. Diese Wahrnehmung wird durch den Radleuchter mit einem Durchmesser von 8 Metern, der im Schnittpunkt der Achsen angeordnet ist, verstärkt. Der Radleuchter geht auf den Architekten Adolf Bürckner zurück und wurde vom Kunstschlosser Paul Golde hergestellt.
Auf der westlichen Empore ist die Orgel aus der Bauzeit der Kirche von Schlag & Söhne angeordnet.
Den sechs Strebepfeilern des Kirchenschiffes sind Säulen vorgeblendet, über deren Kapitelle überlebensgroße Standbilder des Bildhauers Edmund Wende angeordnet sind. Auf den Säulen an der östlichen Seite des Kirchenschiffs rechts und links des Chores befinden sich die Standbilder (nördlich) des Apostel Paulus und (südlich) des Apostel Petrus. Die beiden jeweils südlichen und nördlichen Säulen sind von den Emporen umgeben. Auf den südlichen Säulen (zur Soldiner Straße) sind auf der östlichen Säule (in Richtung Chor) das Standbild des Missionars Bonifatius (673 – 755) und auf der westlichen Seite, zum Ausgang hin, das Standbild des Theologen und Reformers Martin Luther (1483 – 1546) aufgestellt. Auf der gegenüberliegenden Seite findet sich in Richtung Chor das Standbild des Theologen und Reformators Jan Huss (1370 – 1415) und auf der westlichen Seite das Standbild des Theologen und Hochschullehrers Friedrich Schleiermacher (1768 – 1834).
Der Chor
Auf der rechten Seite des Chores befindet sich die Kanzel, der Altar ist mittig im Chor angeordnet, auf der linken Seite des Chores ist der Taufstein aufgestellt. Kanzel, Altar und Taufstein gehen auf Adolf Bürckner zurück. Auf dem Altar befindet sich eine Christusfigur, die von einem neugotischen Architekturelement gerahmt ist. Die Figur ist mit ausgebreiteten Händen dargestellt, die symbolisch für einen segnenden Christus stehen.
Sie ist der Christusfigur aus dem Jahre 1838 von Bertel Thorvaldsen (1770 -1844) in der Kopenhagener Frauenkirche nachempfunden.
Von den Wandbildern in den neun Blendfenstern unter den Chorfenstern sind die Bilder des vorreformatorischen Predigers Petrus Waldus (geb. unbekannt – 1218), des Herrschers König Gustaf Adolf von Schweden, (1594 -1632), des Pastors und Sozialreformer Georg Heinrich Theodor Fliedner (1800 – 1864 ) sowie des Theologen und Sozialpädagoge Johann Hinrich Wichern (1808- 1881) restauriert worden.
Die Kirchen verfügte bauzeitlich über 1000 Sitzplätze, davon 300 auf den drei Emporen. Durch das veränderte Aufstellen der bauzeitlichen Bänke wird aktuell nur eine geringere Anzahl an Sitzplätzen erreicht.
Ist-Zustand
Die Zukunft des Bauwerkes ist ungewiss. Nach der Entscheidung des Gemeindekirchenrates soll es in Kirchenbesitz bleiben und weiterhin auch kirchlich genutzt werden.
Durch Jahrzehnte lange fehlende Instandsetzung kam es zu schwerwiegenden Baumängeln, Auf Grund eines Wassereinbruches wurde das Kirchenschiff Anfang 2024 von der Gemeinde gesperrt . In Jahr 2025 soll das Dach instandgesetzt werden.
In einem Gutachten wird eine Nutzung des Kirchengebäudes in Kombination mit der Bebauung des 4000 m2 großen Grundstückes hinter dem Gebäude gutachterlich geprüft. Daran sind die Gemeinden Himmelfahrt und Versöhnung, mit denen die Gemeinde an der Panke im Jahr 2025 fusionieren, beteiligt. Eine schulische oder sozial-kulturelle Nutzung werden als möglich angesehen. Bei einer Nutzung als Schule könnte das Kirchenschiff als Aula, bei einer sozial-kulturellen Nutzung als Veranstaltungsort dienen. Die Kita, die nicht mehr in der Trägerschaft der Gemeinde ist, soll nach Ansicht des Gemeindekirchenrates erhalten bleiben. Eine Nutzung des Grundstückes und der Kirche für Wohnzwecke wird auch geprüft.
Links:
https://de.wikipedia.org/wiki/Stephanuskirche_(Berlin-Gesundbrunnen)